Samstag, 9. Januar 2016

Nein!-Doch!-Oh!

Dieses Zitat von Louis de Funes kam mir spontan in den Kopf während ich meine Aufgabe Revue passieren lies.
Eine Aufgabe , die es in sich hatte - das war mir ja beim Ziehen schon bewusst- aber dass ich sie an DIESEM Tag ausführen sollte, war eigentlich fast unmöglich.

Ich hab lange mit mir gehadert, ob ich diese Geschichte überhaupt schreiben soll, aber da sie unweigerlich in Zusammenhang mit meiner Challenge steht, lautet die Antwort: JA!

Was war geschehen? Ich erhielt am Donnerstag Morgen einen Anruf unseres Intendanten:
"Wir müssen aus urheberrechtlichen Gründen die Inszenierung von "Rent" ändern".
Und mit WIR, meinte er den Dramaturgen, den musikalischen Leiter und MICH!
Fuck!!!

Das brachte mich in einen enormen Gewissenskonflikt:
Eigentlich ist meine Aufgabe als Regieassistentin/Abendspielleitung die erarbeitete Inszenierung des Regisseurs nach dessen Abreise GENAU SO aufrechtzuerhalten und mich darum zu kümmern, dass das auch so bleibt. Und jetzt sollte (unter anderem) ICH das verändern???? Wie absurd! Auf der anderen Seite war mir aber natürlich auch bewusst, dass das Stück schon am NÄCHSTEN Tag weitergespielt werden soll- und ich es somit auch dem wunderbaren Ensemble schuldig war eine bestmögliche Lösung für sie zu finden.

Es folgten also viele weitere Telefonate- vor allem mit den jetzt verantwortlichen Personen- und parallel hatte ich meine Challenge zu erfüllen. Wow....
  • beim ersten Telefonat ist mir meine Aufgabe zwischendurch wie ein Blitz erst wieder eingefallen...und was ist die logische erste Reaktion, wenn man was vergessen hat? Richtig: ein "OH NEIN!"- Ausruf ;-)  (quasi die verbale Version von ich-schlag-mir-mit-der-Hand-gegen-die-Stirn!) super Einstieg...
  • bei Anruf Nummer zwei hab ich dann doch bewusster darauf geachtet, wie ich mich ausdrücke, und hab bemerkt, dass schon ein paar "ich weiß nicht"s bzw. "ich glaub nicht"s dabei waren, aber tatsächlich kein nein! Krass! Hätt ich nicht gedacht.
  • und auch bei dem dritten Telefonkontakt klappte es mit der Wortwahl erstaunlich gut.
Als Resultat dieser Telefonate haben wir uns dann also im Theater getroffen um durch das Stück zu gehen und die Änderungen zu besprechen. Zack, war die Existenz der Challenge sofort vergessen... Verständlich, oder?
Aber auch während dieses Meetings ist es mir irgendwann wieder wie Schuppen von den Augen gefallen: "Mist, ich darf ja nicht NEIN sagen." Hab ich es denn gesagt???? Keine Ahnung! Ehrlich! Wenn ich versucht habe mich daran zu erinnern, ob ich das Wort benutzt habe oder nicht, hätte ich immer schwören können, dass nicht, aber das war nur meine rein instinktive Vermutung. Kein Plan...
Um mich etwas besser daran zu halten, hab ich dann das Team in meine Aufgabe eingeweiht.  Und was passsiert? Sie haben natürlich nichts besseres zu tun als mich direkt reinzulegen:
"Brauchst du was zu trinken?" (sie wussten genau, dass ich mir grad ne frische Flasche Wasser aus der Kantine geholt hatte)...und ich antwortete: "Ne, ich hab noch!" ... REINGEFALLEN! Obwohl es jetzt natürlich eine Definitionsfrage ist, ob NE als NEIN zählt?! Ich denke nicht... So! Und nach meiner persönlichen Definition zählen somit die Wörter NÖ, NOPE, NEEE und NÖRÖ auch nicht! Hahaaaa! So kam ich ganz gut über die Runden...

Aber es gibt gerade an solchen Tagen auch Zeitpunkte, wo klare Ansagen unerlässlich sind:
Nach unserer dreistündigen Überarbeitungsplanung ging es dann noch weiter mit den anderen Abteilungen, d.h. die Tonabteilung musste über Textänderungen bzw. vor allem leider über Textstreichungen bzw. Umverteilung informiert werden und auch die Kollegen vom Licht waren von den Änderungen betroffen. d.h. ich hab mich mit dem Beleuchtungsmeister hingesetzt und wir sind jede einzelne Lichtstimmung durchgegangen... Und wenn da die Frage kam, ob wir hier und da einen bestimmten Lichtpunkt noch brauchen, lautete die Antwort leider meistens nein. Da ging auch kein Weg dran vorbei. Wie sich das anfühlte? Beschissen! Es war, als wäre die Person, die in diesem Licht normalerweise stand, gestorben.... naja, für die Rolle stimmte das leider auch.
Als ich dann dieses NEIN jedoch ausgesprochen hatte, fuhr es mir tatsächlich durch Mark und Bein - das ist schon ein sehr scharfes Wort, finde ich! So gebellt irgendwie! Und durch die Aufmerksamkeit darauf an diesem Tag ist mir auch aufgefallen, dass ich es wirklich selten benutze. Was ist als sehr schön empfinde! Ich möchte damit nicht sagen, dass ich zu allem " Ja und Amen" sage, aber ich trage schon eine bejahende Einstellung in mir. Und das ist auch gut so!

Später an diesem Tag hatte Rent also seine letzte Aufführung in der Premiereninszenierung. Sie wurde mit Standing Ovations gefeiert! Umso schmerzhafter war die Verabschiedung eben jener Kollegin, deren Rolle in Folge der Urheberrechtsansprüche leider gestrichen werden musste. Ich wollte gerne ein sehr lautes NEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNNNNNNNN herausschreien, aber vielleicht war es auch gut, dass mich meine Challenge davon abgehalten hat. Denn wie heißt ein Zitat aus "Rent", das sich auch in unserem Bühnenbild wiederfindet:

"The opposite of war isn't peace- it's creation"
RENT-Bühnenbild von Daniel Angermayr
d.h. ich hab meine Wut und Frustration darüber, dass es dazu kommen musste, nicht dazu genutzt um mich aufzuregen , sondern hab die Energie in den kreativen Prozess gesteckt. Warum? Um die wunderbare Arbeit unseres Kreativteams (Regisseur, Choreograph, Ausstattung) so gut wie möglich weiterzudenken und alles was ich von ihnen gelernt hab (ich hab ja noch nie zuvor Regie geführt, geschweige denn Lichtstimmungen programmiert) umzusetzen.
Ich hoffe es ist mir bzw. uns gelungen....
Überzeug dich selbst: bis 2.2.2016 noch am teatrier.

Fazit: eine schwierige Aufgabe an einem schwierigen Tag! Mal sehen, was das nächste Los bringt...

Stay crazy- auch wenn's manchmal schwer fällt!
Deine Yvonne





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